Zwischen Nonkonformität und Widerstand – Biografische Erkundungen 1933 – 1945 / Beispiel Karl Platzer und Ida und Paula im Interview in der Ausstellung der Darmstädter Geschichtswerkstatt

Karl Platzer wurde am 16. September 1876 in Österreich geboren. Nach dem Besuch der Volkshochschule lehrte Platzer das Schuhmacherhandwerk. Als Schuhmacher arbeitete er in Wien, Italien und in Serbien. Von 1897 bis 1900 leistete er Kriegsdienst in einem Infanterieregiment. 1904 kam er nach Deutschland und arbeitete in einer Schuhfabrik. Von 1914 bis 1918 diente er im Landsturmregiment in Pilsen als Essensträger. Bis 1934 lebte er in Mainz und baute sein eigenes Geschäft auf. In Mainz kamen außerdem seine zwei Kinder zur Welt.
1934 zog er dann nach Rimbach. Hier besaß er mehrere Grundstücke und Häuser. Er wohnte in der Hindenburgstraße 27 zusammen mit der Familie Schütz, seinen Mieter*innen. Ab August 1939 soll er Bemerkungen über Hitler, die NSDAP, ihre Anordnungen und Strukturen gemacht haben, im Sinne das „Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben“. Aufgrund dieser Bemerkungen äußerte sich Margarethe Schütz gegenüber dem Ortsgruppenleiter der NSDAP, Peter Trautmann. Dieser schrieb einen Brief an das Amtsgericht Darmstadt und veranlasste damit die juristische Verfolgung von Platzer. Platzer selber war kein NSDAP-Mitglied.

Ausstellung der Darmstädter Geschichtswerkstatt
Eine Ausstellung der Darmstädter Geschichtswerkstatt e.V. in Kooperation mit der Brecht-Geschichtswerkstatt
Ausstellungsdauer: 19.04. – 31.05.2024
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt / Karolinenplatz 3
Öffnungszeiten: Mo – Fr / 9:00 – 17:30 Uhr


Paula liest aus der Gefängnisakte von Karl Platzer
Ida über Karl Platzer
Am 05.07.40 um 17:45 wurde Karl Platzer in Untersuchungshaft gebracht. Mit seinen Aussagen, die „an Gemeinheit und niedriger Gesinnung nicht zu überbieten (sind)“, soll Platzer sich „im höchstem Maße strafwürdig (gemacht haben)“. Diese Argumentation stützten die Nazis mit §2 Absatz 1 des Gesetzes vom 20.12.1934 (Heimtücke Gesetz). Am 15.07.40 reichte Platzers Anwalt Otto Sturmfels Haftbeschwerde ein. Diese wurde abgelehnt mit folgender Begründung:
„Bei der Schwere der Verfehlung muss trotz des Alters des Beschuldigten und trotz der Tatsache, dass er bisher nicht in Erscheinung getreten ist, strenge Bestrafung folgen.“
„Er ist dieser Straftat dringend verdächtig und mit der Rücksicht auf die zu erwartende hohe Strafe fluchtverdächtigt. Es besteht außerdem Verdunklungsgefahr und die Gefahr der Wiederholung.“
Während seines Gefängnisaufenthalts arbeitete Platzer mit drei seiner Mitgefangenen in einer Schuhwerkstatt. Er bekam regelmäßig Besuch von seiner Tochter Maria Fehrenbach. Diese wurde teilweise als Komplizin von Platzer gesehen und dementsprechend auch juristisch untersucht. Zu ihr verweigerte Platzer jegliche Aussage.
Am 16.07.40 wurde der Beschluss gefasst, den Fall Platzer im Sondergericht zu behandeln. Eineinhalb Monate später, am 27.08.1940, wurde dann die offizielle Strafverfolgung angeordnet. Als Termin für das Sondergericht wurde mittlerweile der 11.09.40 um 11 Uhr bestimmt.
Ein Tag vorher, am 10.09.1940, um 13:30 Uhr wurde Platzer tot in seiner Zelle aufgefunden. Er hinterließ einen Abschiedsbrief, den er vor allem seinen zwei Kindern widmete.

(Ida H. – Bertolt-Brecht-Schule Darmstadt, BrechtGeschichtswerkstatt)






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